Symbiose mit Krittern:
Ein Komposthaufen ist ein äußerst lebendiges Konstrukt. Das steht vielleicht im Kontrast mit einer ersten Betrachtung von Kompost als Müll, als Sammlung toter und sterbender Pflanzen, Küchenresten und Co. – aber jeder Komposthaufen ist ein Versammlungsort für eine Unmenge von Organismen und Lebewesen. Pilze, Bakterien, Algen, Würmer, Asseln, Spinnen, Schnecken, Springschwänze, Milben, … ohne diese Wesen keine Verrottung, ohne Verrottung keine fruchtbare Komposterde.
Darum gibt es auch auf der Bühne der „Schöpfung“ Kompostwesen. Die Kostümbildnerin Sabrina Bosshard hat für die Produktion ganz eigene Bewohner*innen des Komposts erschaffen; sie sollen die Prozesse des Schichtens und Verarbeitens, des Erhitzens und Zerfallens auf der Bühne umsetzen und begleiten. Dabei sind sie keine Abbilder von realen Lebewesen oder Mikroorganismen. Die in den Kostümen steckenden Darsteller*innen der Wiesbadener Schule für Schauspiel spielen keine Insekten, Würmer oder Einzeller. Ihre menschlichen Formen sind unter dem Kostümbild fragmentarisch erkennbar; die Bewegungen sind jedoch überwiegend menschliche, mehr wie Bühnenarbeiter*innen als wie Kreaturen des Erdreichs.
Ein menschlicher Körper bis zur Hüfte, erwächst aus einem der Kostüme ein waberndes, weiches Konstrukt gleich einer Koralle, einer Morchel oder einem anderen Pilz. An den Kostümen lassen sich die Einflüsse von Pierre Huyghes Arbeit, unter anderem aus „Untilled“ (dt.: unbebaut/unkultiviert, aber auch ein Wortspiel mit „until“, dt.: bis) von der documenta 13 ablesen. In dieser Kunstinstallation in einem verwildert wirkenden Garten an einer Kompostanlage findet sich versteckt die Statue eines liegenden Frauenakts, deren Kopf vollkommen von seltsam pilzförmigen Bienenwaben umgeben ist. Huyghes, ein französischer Bildender Künstler, befasst sich in seiner Arbeit wie das Regieteam der „Schöpfung“ mit hybriden Formen zwischen Kunst und Natur.
Was in Horrorfilmen wie „Die Fliege“ als Alptraum gezeigt wird, ist in der Produktion der „Schöpfung“ mehr Utopie – ein Öffnen von Spielräumen durch Verbindungen. Es geht darum, gerade dann genau hinzuschauen, wenn Achtlosigkeit, Ignoranz oder gar Ekel uns sonst zum Wegsehen verleiten würden. Die hybriden Körper zwischen dem Menschlichen, dem Insektenartigen und dem vielleicht vollkommen Fremden und Fantastischen sind aber keine Provokation. Viel mehr normalisieren sie eine Verbündetenschaft mit allem Unliebsamen und scheinbar Unwichtigen.
Balthazar Bender
Dieser Text stammt aus dem Programmheft für „Die Schöpfung“ und ist eine gekürzte Fassung.
Darum gibt es auch auf der Bühne der „Schöpfung“ Kompostwesen. Die Kostümbildnerin Sabrina Bosshard hat für die Produktion ganz eigene Bewohner*innen des Komposts erschaffen; sie sollen die Prozesse des Schichtens und Verarbeitens, des Erhitzens und Zerfallens auf der Bühne umsetzen und begleiten. Dabei sind sie keine Abbilder von realen Lebewesen oder Mikroorganismen. Die in den Kostümen steckenden Darsteller*innen der Wiesbadener Schule für Schauspiel spielen keine Insekten, Würmer oder Einzeller. Ihre menschlichen Formen sind unter dem Kostümbild fragmentarisch erkennbar; die Bewegungen sind jedoch überwiegend menschliche, mehr wie Bühnenarbeiter*innen als wie Kreaturen des Erdreichs.
Ein menschlicher Körper bis zur Hüfte, erwächst aus einem der Kostüme ein waberndes, weiches Konstrukt gleich einer Koralle, einer Morchel oder einem anderen Pilz. An den Kostümen lassen sich die Einflüsse von Pierre Huyghes Arbeit, unter anderem aus „Untilled“ (dt.: unbebaut/unkultiviert, aber auch ein Wortspiel mit „until“, dt.: bis) von der documenta 13 ablesen. In dieser Kunstinstallation in einem verwildert wirkenden Garten an einer Kompostanlage findet sich versteckt die Statue eines liegenden Frauenakts, deren Kopf vollkommen von seltsam pilzförmigen Bienenwaben umgeben ist. Huyghes, ein französischer Bildender Künstler, befasst sich in seiner Arbeit wie das Regieteam der „Schöpfung“ mit hybriden Formen zwischen Kunst und Natur.
Was in Horrorfilmen wie „Die Fliege“ als Alptraum gezeigt wird, ist in der Produktion der „Schöpfung“ mehr Utopie – ein Öffnen von Spielräumen durch Verbindungen. Es geht darum, gerade dann genau hinzuschauen, wenn Achtlosigkeit, Ignoranz oder gar Ekel uns sonst zum Wegsehen verleiten würden. Die hybriden Körper zwischen dem Menschlichen, dem Insektenartigen und dem vielleicht vollkommen Fremden und Fantastischen sind aber keine Provokation. Viel mehr normalisieren sie eine Verbündetenschaft mit allem Unliebsamen und scheinbar Unwichtigen.
Balthazar Bender
Dieser Text stammt aus dem Programmheft für „Die Schöpfung“ und ist eine gekürzte Fassung.

Eines der Kompostwesen von Kostümbildnerin Sabrina Bosshard

Eines der Kompostwesen von Kostümbildnerin Sabrina Bosshard